Kunst am Baum

Was ist mit diesen Bäumen passiert? Einer – auch wenn er etwas gerupft aussieht – scheint fest in der Erde zu stehen. Der zweite aber? Ihm scheint ein Unglück, eine Katastrophe widerfahren zu sein. Wurde er von einem Sturm entwurzelt, dann durch die Lüfte getragen und hat sich in der Krone des anderen verfangen, wurde von ihr aufgefangen?

Dieses Kunstwerk steht seit 2019 in Frankfurt vor dem Eingangsbereich des neuen jüdischen Museums und hinter dem Rothschildpalais, dem ehemaligen Wohnhaus der jüdischen Familie Rothschild, das Teil des Museums ist. Und diese Information über den Standort beantwortet unsere Fragen. Auf der Webseite des jüdischen Museums lesen wir: „Die Idee, einen Baum zweifach, gleich einer Spiegelung seiner Selbst, zu einem Wahrzeichen des Jüdischen Museums Frankfurt zu machen, zieht ihre Inspiration aus der Geschichte der Frankfurter Juden: dem Gefühl gleichzeitiger Verbundenheit und Entwurzelung.“ Zudem gibt es vielfältige Bezüge auf Bäume in den kabbalistischen Quellen des Judentums, etwa den Lebensbaum, der für die göttliche Schöpfung steht.

Modell stand dem Künstler ein echter Baum, der immer noch lebt. Er wurde mit Gips eingewickelt, und daraus wurden die Gussformen hergestellt. Mit Aluminium ausgegossen, erwuchsen daraus Stamm, Äste und Zweige des Baums – das heißt der beiden Bäume, die übrigens identisch sind.

Der Künstler, Ariel Schlesinger (geboren 1980 in Jerusalem), hat seine Baum-Skulptur für den Standort am jüdischen Museum ersonnen und gestaltet. Sie trägt den vielsagenden aber auch deutungsoffenen Titel „Untitled“.

Ein Besuch des Jüdischen Museums ist überaus lohnend; es widmet sich der Geschichte des Frankfurter Judentums über die NS-Zeit bis in die Gegenwart (beleuchtet z.B. die Auseinandersetzung 1985 um Fassbinders Stück „Der Müll, die Stadt und der Tod“). Und wer weiß schon, dass die Familie von Anne Frank aus Frankfurt stammt?

(https://www.juedischesmuseum.de/sammlung/bildende-kunst/detail/ariel-schlesinger-untitled)

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