Der herbstliche Stadtbaum als ästhetisches Phänomen

Ende Oktober im Weißenburgpark (Stuttgart-Süd)

Der Stadtbaum als ästhetisches Phänomen rückt selten ins Zentrum des Interesses. Meistens geht es um Klimaverträglichkeit, um Laubanfall oder auch um das Fehlen von Bäumen. Wer während des Corona-Herbstes viel unterwegs ist oder sich in die Wälder des Nahbereichs begibt, kann dieser Tage die Laubfärbung als besonderen ästhetischen Höhepunkt des Herbstes beobachten.

Warum verfärben sich die Blätter? – Der Auslöser dafür sind vor allem sinkende Temperaturen aber auch abnehmende Helligkeit. Wer Anfang Oktober auf die Schwäbische Alb fährt, kann beobachten, dass die Bäume dort früher bunt sind als die Stadtbäume. Und woher kommt die Farbe? – Sie ist immer schon da, wird aber vom Grün des Chlorophylls übertönt. Mit abnehmenden Temperaturen ziehen die Bäume die Bestandteile des Chlorophylls aus den Blättern und lagern sie im Stamm ab. Übrig bleibt die normale Grundfarbe der Blätter, eben gelb (durch Carotinoide) oder braun. Die Verfärbung der Blätter ist also eigentlich eine Entfärbung, wer hätte das gedacht. Die Rotfärbung der Ahorne in Amerika hat übrigens einen anderen Grund. So einfach macht es die Natur uns nicht! (mehr dazu: https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/pflanzen/pflanzenwissen/02724.html).

Und warum werfen Bäume ihre Blätter ab? – Da es im Winter – zumal bei gefrorenen Böden – nicht genug Wasser gibt, um die Blätter zu versorgen, haben die Bäume diese schlaue Strategie entwickelt: Sie holen erst das Chlorophyll zurück und werfen dann die Blätter ab – und mit den Blättern dort eventuell eingelagerte Umweltgifte.

Auf anderen Kontinenten: Das Laub der hiesigen Stadtbäume und Wälder changiert im Herbst in der Regel zwischen Grün-, Gelb- und Brauntönen. Rötliche Farbtupfer sind selten. In anderen Gegenden, ist rötliche Laubfärbung allerdings Gegenstand eines regelrechten Laubtourismus. In Amerika werden sogar Pauschalreisen in die Gegenden angeboten, in denen die Ahornbäume feuerrot strahlen. Allerdings ohne die Garantie, dass die Bäume sich an die geplanten und gebuchten Termine halten. So entzieht sich die Natur gelegentlich den monetären Interessen der Reiseanbieter durch Unverfügbarkeit.

Über das Phänomen der Rotfärbung insbesondere in Amerika und Japan schreibt Marion Poschmann in ihrer Rede zur Verleihung des deutschen Preises für Nature Writing 2017. Der Titel lautet: „Laubwerk. Zur Poetik des Stadtbaums“. In diesem Text erwähnt sie auch die Tradition der Bewunderung des roten Herbstlaubs in Japan. Dort sei die Laubschau „konnotiert mit einer überaus verfeinerten Ästhetik, hoher Bildung und einem spirituellen Bezug zu den Erscheinungen der Jahreszeiten“.

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