Der Baumblog war im Park der Villa Merkel (Esslingen)

Mit dem Zug rauschte ich schon oft an der Villa Merkel vorbei, die – zwischen Bahnlinie und B 10 eingezwängt – etwas unglücklich wirkt, wie ein Überrest aus einer anderen Zeit. Erst vor kurzem besuchte ich diesen erstaunlichen Ort. Eine Esslinger Freundin führte mich aus der schönen Altstadt, und nachdem wir einige breite und hektische Straßen und eine düstere Unterführung hinter uns gelassen hatten, tauchten wir ein in den ruhigen Park.

Doch zuerst ein Blick auf die Merkel-Villa: Als diese 1872/73 gebaut wurde, bestand die Filstal-Bahntrasse bereits. Der Erbauer, Oskar Merkel, suchte die Nähe der Eisenbahnlinie, er war Unternehmer in der Textilbranche und gegenüber den Phänomenen der Moderne sehr aufgeschlossen. Mit dem Bau der B 10 zeigte die Moderne dann allerdings ein anderes Gesicht. Seit 1973 ist die Merkel-Villa Ausstellungsgebäude der Stadt Esslingen und präsentiert immer wieder außergewöhnliche meist jüngere Künstler/innen. Und allein ein Blick ins Gebäude im Stil der Neurenaissance erfreut (mehr zum Gebäude hier: (https://www.villa-merkel.de/villa-merkel/ueber-uns)

Der Park empfängt uns wie eine unerwartete Insel der Ruhe zwischen Bahn und Schnellstraße. Vögel zwitschern, Kinder spielen auf dem Rasen, und entspannte Gemüter können den gedämpft durch die Bäume dringenden Verkehrslärm ausblenden. Viele der Bäume im Park stammen aus der Bauzeit der Villa, sind also um die 150 Jahre alt, und machen uns zu Zwergen zwischen den Baumriesen.

Vor uns hat Jürgen Blümel die imposanten Bäume im Merkelpark besucht und widmet ihnen ein Kapitel in seinem Buch „Auf den Spuren alter Bäume“ (2020, S. 135-143).

Besonders auffällige Exemplare zwischen Villa und Neckar sind die riesige Rotbuche (Fagus sylvatica purpurea, vgl. Foto) (laut Blümel um die 150 Jahre alt), die berghohe Hängebuche (Fagus sylvatica pendula), sowie eine Esche (Fraxinus, vgl. Foto) mit einem Stammumfang laut Blümel von 5,53 Meter. Im ganzen Land leiden die Eschen am Eschentriebsterben. Der Baum im Merkelschen Park scheint zu den wenigen resistenten Exemplaren zu gehören.

Auf dem Rückweg ins Zentrum führt mich meine Esslinger Freundin an einer weiteren Rarität vorbei: Eingezwängt zwischen dem Hochhaus eines Studentenwohnheims und dem nicht minder hohen Gebäude der Volksbank steht der fünftgrößte und daher vermutlich auch fünftälteste Ginkgobaum Europas. Er dürfte um die 170 Jahre alt sein. Jürgen Blümle hat auch hier nachgemessen: Der Stammumfang beträgt 4,98 Meter (Blümle 2020, S. 135).

Vgl. Jürgen Blümle: „Auf den Spuren alter Bäume. Sinnliche Wanderungen in und um Stuttgart“. Stuttgart: Belser/Kosmos 2020, 144 Seiten, kartoniert (über den Park der Villa Merkel: S. 135-143).

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